Pflanzenheilkunde


In der Phytotherapie, einem der ältesten Therapieverfahren überhaupt, werden Beschwerden mit Hilfe von Pflanzenwirkstoffen behandelt. Die Pflanzen werden eingesetzt als Frischpflanzen, als Drogen oder als Extrakte, die auch zu Tees, Kapseln, Tropfen oder Salben weiterverarbeitet werden können. Hinsichtlich der Wirksamkeit gibt es sowohl bei den einzelnen Pflanzen als auch bei den Präparaten große Unterschiede; generell haben pflanzliche Präparate jedoch ein breites Wirkungsspektrum und weniger Nebenwirkungen als synthetische Medikamente. 

Allgemeines


Unter Phytotherapie (griech. phyton = Pflanze, therapeia = Pflege) oder Pflanzenheilkunde versteht man die Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten durch Pflanzen, Pflanzenteile und deren Zubereitungen. Auch Befindensstörungen wie beispielsweise Nervosität werden mit pflanzlichen Präparaten behandelt.

Sonderformen davon, die sich über Jahrtausende entwickelt haben, sind ein wichtiger Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und der Ayurvedischen Medizin in Indien. 

In der Pharmakologie unterteilt man die Pflanzen nach ihrer Wirksamkeit in drei Arten:

» milde oder als Mite bezeichnete Pflanzen
» starke, mit Forte gekennzeichnete Pflanzen
» alle sonstigen, dazwischenliegende Pflanzen, die keine besondere Kennzeichnung haben.

Die Phytotherapie ist wie die Homöopathie eine spezielle Therapierichtung, die neben naturwissenschaftlichen Bewertungsmaßstäben auch vorhandenes Erfahrungsmaterial heranzieht.

Man unterscheidet die rationale oder allopathische Phytotherapie, die auf der naturwissenschaftlich begründeten Medizin basiert, und die traditionelle Phytotherapie, die sich aus der Volksheilkunde entwickelt hat. Erstere erhebt den Anspruch, kausal und symptomatisch der Krankheit entgegenzuwirken, während die Tradition sich auf überlieferte Erfahrungen stützt.

Anders als in der Homöopathie lässt sich die Wirkungsweise der Phytopharmaka innerhalb des naturwissenschaftlichen Weltbildes erklären. Ein wichtiger Unterschied diesbezüglich ist die Dosis-Wirkungsbeziehung: je höher in der Phytotherapie die Dosis, desto stärker ist auch die Wirkung, während es sich in der Homöopathie genau umgekehrt verhält. 

Historisches


Die Phytotherapie gehört mit zu den ältesten Medizinlehren. Bereits vor mehr als 3000 Jahren wurden in China und Indien Krankheiten mit Hilfe von Heilpflanzen behandelt.

Sie wurden in allen Hochkulturen eingesetzt und waren die wichtigsten Heilmittel bis zum Beginn unseres Jahrhunderts. In unserem Kulturkreis war der Grieche Diokles von Karytos der erste, der um 350 v. Chr. die Zubereitung und Anwendung von Pflanzen des östlichen Mittelmeerraums beschrieb.

Ein weiterer Grieche, Galen (129-199 n. Chr.), fasste in einem vielbändigen Werk die zu dieser Zeit bekannten Heilpflanzen mit detaillierten Zubereitungsanweisungen zusammen. Seine Ausführungen galten durch das ganze Mittelalter hindurch als verbindlich.

Mit Paracelsus (1493-1541) begann eine Systematisierung der heimischen Heilpflanzenkunde in seinem Werk "Herbarius". Er versuchte, durch Destillation die Essenz der Pflanze, das "Arcanum", von den unbrauchbaren Bestandteilen zu trennen und so den reinen Wirkstoff zu gewinnen. Auf diese Weise erhielt er die ersten alkoholischen Pflanzenauszüge. 

Eisenkraut

Eisenkraut Lat Verbena officinalis

Lat.: Verbena officinalis

Heilpflanze aus einem englischen Heilkräuterbuch des 13. Jhdts
Aus dieser Zeit stammen auch detaillierte Zeichnungen von Heilpflanzen in Kräuterbüchern. Im 15.und 16.Jahrhundert entstanden die ersten Herbarien, also Sammlungen getrockneter Pflanzen, und botanische Gärten in Nürnberg, Padua, Pisa, Bologna und Heidelberg. Durch genaue Beobachtung und Beschreibung der Pflanzen und ihrer Wirkungen entwickelte sich die Phytotherapie zu einer Erfahrungswissenschaft, die zunehmend naturwissenschaftlich vorging.

In der Folge entwickelte sich die Pflanzenheilkunde weiter in traditionell naturheilkundlicher Richtung, beispielsweise mit Sebastian Kneipp, aber auch in phytochemischer Richtung. Inhaltsstoffe von Pflanzen - so das Morphin aus dem Opium, dem eingetrockneten Milchsaft des Schlafmohns - konnten isoliert werden und waren offen für pharmakologische Untersuchungen. Isolierte Inhaltsstoffe und deren Derivate sind übrigens keine Phytopharmaka mehr, sondern chemische Substanzen.

In den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts begann die pharmazeutische Industrie, Medikamente auf synthetisch-chemischem Weg herzustellen und schuf starke und schnell wirksame Arzneimittel, die die pflanzlichen Medikamente in den Hintergrund drängten. Heute gilt die Pflanzenheilkunde jedoch als wertvolle Ergänzung oder Alternative zu chemischen Behandlungen.

Herstellung von Arzneien:

Heilpflanzen werden entweder als Frischpflanzen, häufiger jedoch als Drogen oder Extrakte zum Behandeln von Krankheiten verwendet. 

Herstellung und Verwendung


Frischpflanzen werden auf verschiedene Arten zubereitet. Man kann ihre safthaltigen Teile wie Früchte auspressen, ihnen Wundreize zufügen und die ausgeschiedenen Sekrete verwenden, Pflanzenteile destillieren, um ätherische Öle zu gewinnen, oder ölige Auszüge herstellen. Hierzu werden etwa Blüten in Oliven- oder Mandelöl eingelegt, um die darin enthaltenen Wirkstoffe in das Öl "herüberzuziehen".

Aus Frischpflanzen werden so genannte Drogen hergestellt durch Trocknung von Pflanzenteilen, also etwa den Wurzeln, Blättern, Blüten oder Samen, oder durch Gewinnung von Ölen, Harzen und Wachsen, die keine Zellstruktur mehr aufweisen.

Extrakte entstehen dadurch, dass den getrockneten Pflanzenteilen spezielle Extraktionsmittel, z. B. Ethanol oder Wasser, zugesetzt werden und sich die Inhaltsstoffe darin lösen. Danach werden in speziellen Verfahren die Inhaltsstoffe weiter "eingeengt", z.B. wird das Extraktionsmittel verdampft. Die Endprodukte sind Trocken- oder Spezialextrakte, die in Säften oder Kapseln weiterverarbeitet werden.

Die Frischpflanzen und Drogen finden also Verwendung in:

wässrigen Auszügen: Tees (Aufgüsse, Abkochungen, Kaltauszüge) und alkoholischen Auszügen (Tinkturen; Extrakte zur Weiterverarbeitung).

Das verwendete Pflanzenmaterial sollte aus kontrolliertem Anbau stammen, um eine möglichst hohe Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu garantieren.

Damit pflanzliche Medikamente exakt dosiert werden können, müssen sie bezüglich des Wirkstoffgehaltes standardisiert sein.

Anwendung:

Besonders bei Befindlichkeitsstörungen wie nervöser Unruhe und Einschlafproblemen sowie bei Erkältungen, Magenproblemen und leichten (!!!) Herz-/Kreislaufstörungen werden Phytopharmaka angewandt.

Bei ernsten Erkrankungen sollte unbedingt der Rat eines Arztes eingenommen werden; nicht alle pflanzlichen Präparate sind völlig ohne Nebenwirkungen. Vor einem unsachgemäßen Gebrauch von Heilpflanzen ist dringend zu warnen.

Teedrogen, die keine stark wirkenden Inhaltsstoffe aufweisen, eignen sich auch zur Selbstmedikation bei leichten Erkrankungen oder Befindlichkeitsstörungen. Arzneitees sind in fertigen Teemischungen frei erhältlich.

Rechtliches:

An Phytotherapeutika werden die gleichen Anforderungen gestellt wie an chemisch-synthetische Arzneimittel. Sie müssen also die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfüllen.

Es dürfen nur Wirkstoffe verordnet werden, deren Nutzen größer ist als ihr Risiko. In dieser Hinsicht sind Phytopharmaka den chemisch-synthetischen Arzneimitteln meist überlegen.

Anders als homöopathische Mittel durchlaufen Phytopharmaka das für allopathische Medikamente übliche Zulassungsverfahren und werden wie diese auf Wirksamkeit überprüft. Bei ihnen kann und muss die Indikation in der Packung angegeben sein.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Arzneimittel, deren Wirksamkeit in bestimmten Anwendungsgebieten durch tradierte und dokumentierte Erfahrung festgelegt ist, erhalten den Zusatz "traditionell angewendet", beispielsweise "Zur Stärkung oder Kräftigung des...", "Zur Vorbeugung gegen..." und dergleichen. Für diese Arzneimittel gilt die tradierte Erfahrung als Wirksamkeitsnachweis. 



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